Eine
geheimnisvolle, namenlose Burgruine
Was haben
Franz von Asissi (1181-1226), Walther von der Vogelweide (1190-1230) und
Richard I. Löwenherz (1157-1199) gemeinsam? Sie lebten gegen Ende
des Hochmittelalters (11. bis Mitte 13. Jh. n. Chr.), in einer der spannendsten
Epochen der Menschheitsgeschichte.
"Es ist erstaunlich, aber diese Zeit ist noch lange nicht vollständig
erforscht", so Dr. Christine Schwanzar von den Oberösterreichischen
Landesmuseen. "Daher freuen wir uns, daß wir in diesem Sommer
damit beginnen konnten, diese Forschungslücke ein wenig zu schließen."
Im Rahmen des Großprojektes 2003 der Oberösterreichischen Landesmuseen
"Worauf wir stehen. Archäologie in Oberösterreich"
wurde eine namenlose Burganlage am Turntobel in Kefermarkt, knapp an der
Gemeindegrenze zu Neumarkt im Mühlkreis, einen Monat lang von Archäologen
unter die Lupe genommen.
Bei der Analyse der Funde staunten die Forscher nicht schlecht: Die Tonscherben,
die während der Ausgrabung geborgen wurden, stammen alle aus dem
dreizehnten Jahrhundert. Das ist tatsächlich erstaunlich. Denn üblicherweise
werden Burgen mehrere Jahrhunderte lang benutzt und dabei immer wieder
verändert. Am Turntobel ist das anders: "Ein echter Glücksfall
für die Forschung! Wir können einen ungestörten Blick in
eine Befestigungsanlage des dreizehnten Jahrhunderts werfen", freut
sich Grabungsleiter Mag. Josef Engelmann.
Im zwölften Jahrhundert wurde damit begonnen, die Urwälder zwischen
Donau und Böhmen intensiv zu roden und das Land zu bestellen. Für
das Mühlviertel ist das dreizehnte Jahrhundert daher eine besonders
interessante Zeit, in der sich die Naturräume veränderten und
die Machtverhältnisse sich neu konstituierten. Mit den Ausgrabungen
am Turntobel wird ein Blick in die "Gründerzeit" des Mühlviertels
möglich.
Doch die Befestigungsanlage am Turntobel ist auch von internationalem
Interesse. Denn der Turntobel liegt auch an einem uralten Verbindungsweg
zwischen den großen Siedlungsgebieten in Böhmen und dem Donautal.
"Heute würden wir sagen an einer internationalen Fernstraße",
zieht Mag. Engelmann einen Vergleich zu heute. Über das Gusental,
das Aisttal und den Kerschbaumer Sattel zieht diese Altstraße nach
Norden. Die Befestigung am Turntobel nützt die einzige Stelle, von
der man optimal das Gusental, das Aisttal und den Kerschbaumer Sattel,
der damals das Grenzgebiet zum Königreich Böhmen war, einsehen
konnte. Ein perfekter Platz für eine Burg!
Rätselhaft ist den Archäologen allerdings, warum diese namenlose
Befestigungsanlage so schnell wieder aufgegeben wurde. Es müssen
wohl übergeordnete Interessen im Spiel gewesen sein, daß dieser
hervorragende Platz verlassen wurde, vermuten die Archäologen. Doch
wer der mächtige Gegner der Burganlage war, ist derzeit noch eine
offene Frage. |